Ich wollte das sagen und auch
Steiners Worte wiederholen, als ich vor zehn Jahren diesen Blog eröffnete.
Wie kann die seelische Not der Gegenwart überwunden werden?
von Rudolf Steiner
Vortrag gehalten in Zürich am 10. Oktober 1916
GA 168, Dornach 1984, S. 91-120.
W
as wir suchen als
geisteswissenschaftliche Wahrheiten,
soll uns nicht sein ein totes,
sondern ein
lebendiges Erkennen, ein Erkennen, das wirklich in das Leben, an allen Stellen dieses Lebens und
an den wichtigsten Punkten dieses Lebens seinen Einzug halten kann. Es ist nur natürlich und
selbstverständlich, daß Geisteswissenschaft heute noch vielfach recht abstrakt aufgenommen wird
und daß man in dieser Abstraktheit, in der man die Geisteswissenschaft aufnimmt, durch sie
vielleicht sogar zu einer Art abgezogenen Wissens kommt, das sich zunächst wenig fruchtbar für
das Leben erweist und das insbesondere den Leuten, die noch wenig Kenntnis genommen haben
von der Geisteswissenschaft, den Eindruck macht: Was soll denn das eigentlich alles, wenn man da
nun schon weiß, der Mensch bestehe aus so und so viel Gliedern, die Menschheit habe sich durch
verschiedene Kulturepochen entwickelt und werde sich weiterentwickeln — und so weiter.
Menschen, die da glauben, nach den Anforderungen unserer heutigen Zeit so ganz im praktischen
Leben drinnenstehen zu sollen, denen kommt dann Geisteswissenschaft oftmals recht unfruchtbar
vor. Und unfruchtbar wird sie ja vielfach auch von solchen, die auch heute schon etwas Herz und
Sinn für sie haben, getrieben.
Dennoch, Geisteswissenschaft selbst ist, so wie sie ist, etwas unendlich Lebendiges, etwas, das bis
in die äußersten Lebenspraktiken hinein lebendig werden kann und auch im Laufe der Zeit lebendig
werden muß. Wir wollen das, was ich so einleitungsweise gesagt habe, heute uns einmal an einem
besonderen Beispiel klarlegen.
Wir wollen etwas herausgreifen aus unserer Geisteswissenschaft, das
wir ja alle voraussichtlich kennen, das uns gut bekannt ist, an dem wir aber zeigen wollen, wie es
nach und nach, indem man es lebensvoll betrachtet, erst recht lebendig wird.
Die meisten von uns werden öfter gehört haben und sich öfter durch die Seele haben ziehen lassen,
daß unserer Zeit vorangegangen ist die sogenannte vierte nachatlantische Kulturperiode (ca. 3000 v.
Chr.- ca. 8. Jh v. Chr.), in welcher die Griechen und die Römer die bedeutendsten Völker waren,
daß aber auch die folgenden Jahrhunderte bis ins 14., 15. Jahrhundert herein noch beeinflußt waren
von den Impulsen dieser vierten nachatlantischen Kulturperiode, und daß wir seit dem 15.
Jahrhundert in der fünften nachatlantischen Kulturperiode (15. Jh. - ca. 2800 n. Chr.) drinnenstehen,
in dieser Periode in unsere jetzige Inkarnation hineingeboren sind und noch viele Jahrhunderte die
Menschen in dieser Kulturperiode leben werden.
Wir wissen ferner und haben es oftmals,
wenigstens die meisten von uns, durch unsere Seele ziehen lassen, daß in der vierten
nachatlantischen, der griechisch-römischen Kulturperiode, vorzugsweise in der Menschheit
ausgebildet worden ist, durch alles das, was äußere Kultur und äußere Arbeit war, die sogenannte
Verstandes- oder Gemütsseele, und daß jetzt die Aufgabe ist, auszubilden die Bewußtseinsseele.
Was heißt das: die Bewußtseinsseele soll ausgebildet werden? Richtig verstanden, schließt das, was
eben jetzt in abstrakter Form vorgebracht worden ist, das Schicksal unserer ganzen fünften
nachatlantischen Kulturperiode für die Menschheit ein. Die verschiedenen Völker dieser fünften
nachatlantischen Kulturperiode sollen zusammenwirken, um die Bewußtseinsseele zum Ausdruck
zu bringen. Dies drückt sich aus wirklich in allen Lebensverhältnissen und Lebensumständen.
Wenn
wir das Leben richtig betrachten, so bestätigt es uns überall die Wahrheit, daß unsere Zeit die
Auslebung der Bewußtseinsseele darstellt. Das ganze Menschenleben war in dem vorhergehenden,
in dem griechisch-römischen Zeitraume anders. Da ist gewissermaßen auf der Stufe, auf der die
Menschheit eben stand in der nachatlantischen Zeit, dieser Menschheit geschenkt worden die Kraft
des Verstandes und die Kraft des Gemütes. Verstand ist etwas, was vieles in sich schließt. Man
betrachtet das heute nicht mehr vollständig genau. Die Griechen, die Römer waren anders von
ihrem Verstande in ihrer Seele abhängig als die Menschen der heutigen fünften Kulturperiode. Die
Griechen und Römer, sie bekamen gewissermaßen den Verstand, soweit sie ihn brauchten, fertig
mit in ihre natürliche Entwickelungsanlage hinein. Es war ganz, ganz anders. Der Mensch wuchs
auf, und so wie die natürlichen Anlagen sich entwickelten, so wuchs in einer gewissen Weise der
natürliche Verstand mit.
Man brauchte den natürlichen Verstand nicht in derselben Weise
auszubilden, wie das heute schon notwendig ist und in der fünften nachatlantischen Zeit immer
notwendiger und notwendiger werden wird; er entwickelte sich wie eine natürliche Fähigkeit. Und
entweder ergab es sich, daß ein Mensch in einer Inkarnation, wenn er sich einfach unter den
natürlichen Verhältnissen entwickelte, Verstand hatte, oder er hatte ihn nicht. Dann war das etwas
Krankhaftes. Aber es war eben auch etwas Abnormes, es war nicht das Gewöhnliche.
Und ebenso war es mit dem Gemüte. So wie es angemessen war für diese vierte nachatlantische
Zeit, so entwickelte sich das Gemüt. Wenn ein Mensch einem anderen Menschen gegenübertrat, so
wußte er sich – die Geschichte erzählt uns davon wenig, aber es war doch so –, er wußte sich
einzustellen auf den anderen Menschen. Das insbesondere ergibt einen großen Unterschied
zwischen den Menschen der früheren Jahrhunderte bis ins 15. Jahrhundert und den Menschen
unserer jetzigen Zeit.
Die Menschen dieser früheren Jahrhunderte gingen nicht, ich möchte sagen, so
stark interesselos aneinander vorbei, wie das oftmals in der heutigen Zeit der Fall ist. Heute
brauchen wir, wenn ein Mensch dem anderen begegnet, oftmals lange Zeit zum rechten
Bekanntwerden. Man muß dies oder jenes gegenseitig von sich kennenlernen, bis man anfängt, sich
zu trauen, bis man Vertrauen gewinnt. Dasjenige, was heute erst nach langem Umgang gewonnen
wird und auch da oftmals nicht, das wurde in früheren Jahrhunderten, namentlich in der Zeit der
griechisch-römischen Kulturperiode, mit einem Schlag erobert, wenn die Menschen einander
begegneten.
Wie sie zueinander kommen konnten vermöge ihrer Individualitäten, das wurde rasch
entwickelt; man brauchte nicht so lange Gedanken und Gefühle auszutauschen. Es wurde rasch
Bekanntschaft geschlossen, soweit eben diese Bekanntschaft zum Heile war für die beiden
Menschen oder auch für mehrere Menschen, die sich zu einer Gesellschaft zusammenschlossen,
soweit das eben irgend vonnöten war.
Das Gemüt des einen Menschen wirkte noch viel spiritueller
in das Gemüt des anderen Menschen hinüber. So wie man heute noch durch seine Sinne die Farben
der Pflanzen richtig erkennen kann — in der siebenten nachatlantischen Kulturperiode wird man
das auch nicht mehr so ohne weiteres können, sondern da werden besondere Umstände nötig sein,
um sogar die Natur kennenzulernen —, also so, wie man heute noch die Pflanzen auf einen Schlag
kennenlernt, nicht erst durch einen näheren Umgang — durch den lernt man das Intimere kennen,
aber das, was der gewöhnliche Mensch kennenlernt von den Pflanzen, lernt er erkennen auf den
ersten Eindruck hin —, so war es auch mehr den Menschen gegenüber. Aber diese Art reichte auch
nur aus für die einfacheren Lebensverhältnisse der damaligen Zeit.
Wir müssen denken, daß diese
Art des Gemütszusammenhanges zwischen den Menschen für den vierten nachatlantischen
Zeitraum wohl angemessen war.
Denn heute umspannt die Welt ein ganz anderes Netz von
Gefühlszusammenhängen als damals. Denken Sie doch, daß das weitaus meiste in den
Verhältnissen der Menschen im vierten nachatlantischen Zeitraum beruhte auf dem persönlichen
Zusammentreffen, und daß dasjenige, was die Menschen untereinander auszumachen hatten, durch
das persönliche Zusammentreffen ausgemacht worden ist. Die Buchdruckerkunst, die den Verkehr
unpersönlich, in unpersönlicher Weise schon bis heute gestaltet hat und ihn immer mehr und mehr
gestalten wird, gehört erst dem fünften nachatlantischen Zeitraume an. Und die modernen
Verkehrsverhältnisse bringen die Menschen so zueinander, daß im Grunde genommen Verhältnisse,
die sich auf einen Schlag bilden, gar nicht zum Heil sein könnten. So treten durch diese ganzen
modernen Verkehrsverhältnisse die Menschen viel, viel unpersönlicher einander in der Welt
entgegen.
Daraufhin ist auch die Menschheit organisiert, die nun nicht fertig mitbekommt Gemüt, das
schlagkräftig wirkt, nicht fertig mitbekommt Verstand, der durchdringend wirkt, sondern durch die
Bewußtseinsseele ausgebildet, ich möchte sagen, etwas viel Abgesonderteres, individuelleres, mehr
auf den Egoismus hin, auf die menschliche Einsamkeit im eigenen Leibe hin Organisiertes
mitbekommt, als Verstandes- oder Gemütsseele es waren. Durch die Bewußtseinsseele ist der
Mensch viel mehr ein einzelnes Individuum, ein Einsiedler, der durch die Welt wandelt, als er es
war durch die Verstandes- oder Gemütsseele. Und das ist auch das wichtigste Charakteristikum
schon geworden für unsere Zeit und wird es immer mehr und mehr werden, daß sich die Menschen
in sich abschließen werden. Die Bewußtseinsseele gibt den Charakter des Sich-Abschließens von
der übrigen Menschheit, des mehr Isoliert-Lebens.
Daher macht es größere Schwierigkeit, mit dem
anderen bekannt und namentlich vertraut zu werden; es bedarf erst der Verhältnisse eines
umständlichen Kennenlernens, um mit dem anderen vertraut zu werden.
Was soll denn durch dieses alles erreicht werden?
Das werden wir am besten einsehen, wenn wir
eine gewisse geisteswissenschaftliche Wahrheit wohl erwägen, die uns sagt: So wie wir Menschen
überhaupt im Leben heute zusammenkommen, so ist das nicht zufällig, wahrhaftig nicht zufällig.
Die Lebensbahnen führen uns mit gewissen Menschen zusammen, mit anderen führen sie uns nicht
zusammen. Das aber beruht heute durchaus auf den Wirkungen des Karma der einzelnen Menschen.
Denn wir sind in eine Entwickelungsperiode der Menschheit eingetreten, die in gewisser Beziehung
zu einer Höhe gebracht hat die früheren karmischen Entwickelungen, die die Menschen
durchgemacht haben. Denken Sie doch, wieviel weniger die Menschen Karma angesammelt hatten,
als die ersten Zeiten der Erdenentwickelung da waren! Mit jedem Male, wenn wir inkarniert
werden, bildet sich neues Karma. Die Menschen mußten ja erst auf der Erde einander
gegenübertreten in Verhältnissen, ohne daß sie früher zusammen gewesen waren, wo sie erst neue
Verhältnisse anspinnen mußten. Aber wir sind allmählich dadurch, daß wir oft und oft auf der Welt
inkarniert waren, in solche Verhältnisse eingetreten, daß wir eigentlich in der Regel keinem
Menschen entgegentreten, mit dem wir nicht dieses oder jenes in früheren Inkarnationen
durchgemacht haben. Wir werden durch dasjenige, was wir in früheren Inkarnationen durchgemacht
haben, mit den Menschen zusammengeführt. Es erscheint «zufällig», daß diese oder jene Menschen
sich treffen; in Wahrheit beruht das alles auf den früheren Inkarnationen, wo man sich schon
getroffen hat, wo die Kräfte erzeugt wurden, daß man in einer gewissen Weise jetzt wieder
zusammengeführt wird.
Nun kann sich — was geschehen soll für unseren Zeitpunkt — die in sich abgeschlossene
Bewußtseinsseele nur ausbilden, wenn weniger in Betracht kommt dasjenige, was jetzt in der
Gegenwart zwischen Menschen und Menschen sich abspielt, als wenn wirksam werden kann im
Inneren, einsiedlerisch, das, was aufsteigt in uns als Ergebnis früherer Inkarnationen.
In der
griechisch-römischen Zeit war es noch so, daß, wenn zwei Menschen einander begegneten, sie einen
gegenseitigen Eindruck aufeinander machen sollten, und dieser sollte schlagkräftig wirken; jetzt,
wenn wir zusammentreffen, damit die mehr im Menschen isolierte Bewußtseinsseele sich
entwickeln kann, jetzt soll mehr die Sache so sein: Ein Mensch trifft den anderen; da soll mehr
wirksam werden das, was in dem einen oder in dem anderen Menschen auftaucht als Ergebnis
früherer Inkarnationen.
Das braucht länger als das unmittelbare Kennenlernen, ich möchte sagen,
auf den Augenschein hin; das braucht, daß die Menschen erst nach und nach, gefühlsmäßig,
instinktmäßig heraufkommen lassen dasjenige, was sie mit dem anderen Menschen durchlebt haben.
Das ist eben das, was wir heute fordern: daß wir einander kennenlernen, daß sich die
Individualitäten erst abschleifen. Denn in diesem Kennenlernen, Abschleifen der Individualitäten,
darin liegt es, daß aufsteigen noch unbewußt, instinktiv die Reminiszenzen, die Nachwirkungen der
früheren Inkarnationen. Und nur, wenn so der Mensch mehr aus seinem Inneren heraus auch in ein
Verhältnis zu anderen Menschen tritt, kann die Bewußtseinsseele sich ausbilden; während mehr
durch das schlagkräftige Sich-Kennenlernen im Gegenübertreten die Verstandes- und Gemütsseele
sich ausbildet.
So sind die Dinge recht einander angepaßt. Und was ich Ihnen jetzt charakterisiert habe, ist für den
fünften nachatlantischen Zeitraum erst im Anfange. Immer schwieriger und schwieriger werden es
die Menschen haben, indem dieser fünfte nachatlantische Zeitraum abläuft, sich in ein rechtes
Verhältnis zueinander zu bringen, weil dieses Sich-in-ein-rechtes-Verhältnis-Bringen eben
Aufwendung innerer Entwickelung, innerer Betätigung fordert. Es hat schon begonnen; aber das,
was begonnen hat, wird immer weiter und weiter sich verbreiten, intensiver und intensiver werden.
Wie ist es heute schon für Menschen, die durch das Karma zusammengeführt werden, schwierig
geworden, sich unmittelbar zu verstehen, weil sie vielleicht wiederum durch andere karmische
Verhältnisse nicht die Kraft finden, alle Beziehungen sich instinktiv zu vergegenwärtigen, die aus
früheren Inkarnationen bestehen! Menschen werden zusammengeführt, lieben sich; das rührt her
von gewissen Wirkungen aus früheren Inkarnationen. Aber andere Kräfte wirken dem entgegen,
wenn solch eine Reminiszenz aufsteigt; sie kommen wieder auseinander. Und nicht nur Menschen,
die sich so im Leben getroffen haben, müssen probieren, ob das, was in ihnen aufsteigt, wirklich
ausreicht, um ein dauerndes Verhältnis zu begründen, sondern immer schwieriger wird es, daß die
Söhne, die Töchter die Väter und Mütter verstehen, immer schwieriger und schwieriger wird es, daß
die Eltern ihre Kinder verstehen, immer schwieriger wird es, daß die Geschwister einander
verstehen. Das gegenseitige Verständnis wird immer schwieriger und schwieriger, weil immer mehr
und mehr es notwendig wird, daß die Menschen dasjenige, was karmisch in ihnen sitzt, erst wirklich
aus dem Inneren aufsteigen lassen.
Sie sehen, welche Perspektive negativer Art sich da über den fünften nachatlantischen Zeitraum hin
eröffnet — Schwierigkeit im gegenseitigen Verständnis der Menschen.
Das aber erfordert, daß wir
dieser Entwickelungsbedingung klar ins Auge schauen, daß wir nicht träumerisch im Dunkeln
hinleben wollen; denn diese Entwickelungsbedingung ist durchaus notwendig.
Würde das nicht über
die fünfte nachatlantische Menschheit verhängt sein, daß das gegenseitige Kennenlernen schwierig
ist, so würde sich nicht die Bewußtseinsseele ausbilden können, so würden die Menschen mehr im
Gemeinsamen aus natürlichen Anlagen leben müssen. Dann würde sich nicht das Individuelle der
Bewußtseinsseele ausbilden können. Also es muß so sein, die Menschen müssen diese Prüfung
durchmachen. Aber auf der anderen Seite muß dem klar ins Auge geschaut werden, denn
selbstverständlich würde, wenn nur diese negative Seite der Entwickelungsbedingungen des fünften
nachatlantischen Zeitraumes herauskommen würde, Krieg und Streit bis in die kleinsten
Verhältnisse hinein in der fünften nachatlantischen Menschheit entstehen müssen. Daher sehen wir
instinktiv heraufkommen eine gewisse Summe von Bedürfnissen in dieser fünften nachatlantischen
Zeit, die sich aber immer bewußter und bewußter gestalten müssen. Und sie bewußter und bewußter
zu gestalten, ist eine der Aufgaben der Geisteswissenschaft für die fünfte nachatlantische
Menschheit.
Ich brauche nur ein Wort zu nennen, dann wird jedem von uns gleich aufgehen, wie ein Heilmittel
gesucht wird für die eine Richtung, die notwendig auftreten muß, für die Schwierigkeit des
gegenseitigen Verständnisses. Ich brauche nur das Wort zu nennen: Es muß, und zwar bewußt, weil
wir im Zeitalter der Bewußtseinsseele leben, immer mehr und mehr Sinn erweckt werden in diesem
fünften nachatlantischen Zeitraum für soziales Verständnis. Das ist dasjenige, was in einem Worte
zusammenfaßt Bedürfnisse, die im vierten nachatlantischen Zeitraum durchaus nicht in demselben
Maße vorhanden waren.
Wer die Struktur des Griechentums, die Struktur des Römertums richtig zu
studieren vermag, der weiß, daß der Individualismus innerhalb dieses Griechentums und
Römertums in der Menschheit nicht so veranlagt war, wie er jetzt veranlagt ist in der europäischen
oder überhaupt auch in der von der europäischen abhängigen amerikanischen Menschheit. Sie
werden besonders das begreifen, wenn Sie den Menschen vergleichen — damit man vergleichen
kann, kann man gleich radikale Vergleiche nehmen — mit einer Tiergattung. Warum lebt eine
Tiergattung unter sich in gewissen Grenzen verbunden? Doch aus dem Grunde, weil sie durch ihre
Gruppenseele, durch ihre Gattungsseele dazu veranlagt ist. Den Tiergattungen ist es eingeboren, das
ist da eine Selbstverständlichkeit; sie können aber auch nicht herauswachsen, sie bleiben darinnen.
Der Mensch muß herauswachsen. Jeder einzelne Mensch muß individuell sich ausbilden, und
insbesondere in unserer heutigen Zeit der Bewußtseinsseele ist eine der Hauptsachen dieses
individuelle Sich-Ausbilden. Über der griechischen und römischen Kultur ist durchaus noch ein
Anflug von Gattungsseelentum. Wir sehen den Menschen noch hineingestellt auch in eine soziale
Ordnung, die, wenn sie auch mehr durch moralische Kräfte ihre Struktur, ihre Formation hatte, so
doch eine feste Formation hatte. Aber diese Formationen werden im fünften nachatlantischen
Zeitraum immer mehr und mehr aufgelöst werden. Dieser Anflug von Gruppenseelentum, der noch
über dem vierten nachatlantischen Zeitraum war, der hat keinen Sinn mehr für diesen fünften
nachatlantischen Zeitraum. Dafür aber muß bewußterweise soziales Verständnis auftauchen, das
heißt, es muß auftauchen alles dasjenige, was hervorgeht aus einem tieferen Verständnis für richtige
individuelle menschliche Wesenheit. Dafür wird erst Geisteswissenschaft dieses richtige
Verständnis entwickeln.
Und Platz greifen wird, wenn die Geisteswissenschaft aus dem Abstrakten
ins Konkrete, ins Lebensvolle sich immer mehr und mehr hineinentwickeln wird, innerhalb der
Kreise, welche Geisteswissenschaft treiben, eine ganz besondere Art, ich möchte sagen, von
Menschenkunde, von Erweckung für menschliches Interesse. Da wird es geben diejenigen, die
gewisse Anlagen dazu haben, ihre Mitmenschen zu unterrichten darüber, wie die Menschen
verschiedene Temperamente haben, wie die Menschen verschiedene Charakteranlagen haben, wie
der eine Mensch, der ein solches Temperament hat, so genommen werden muß, wie ein anderer
Mensch, der eine solche Charakteranlage hat, mit diesem Temperament wieder anders genommen
werden muß; da werden die Menschen, die besonders dafür begabt sind, andere Menschen, die
etwas lernen müssen, darinnen unterrichten: Sehet es euch genauer an: Es gibt diesen Menschentyp,
es gibt einen anderen Menschentyp, und man muß den einen Menschen so nehmen und den anderen
anders nehmen. — Praktische Psychologie, praktische Seelenkunde, aber auch praktische
Lebenskunde wird getrieben werden, und durch dieses wird sich ergeben ein wirkliches soziales
Verständnis der Menschheitsentwickelung.
Was ist denn bis jetzt aufgetreten als soziales Verständnis? Bis jetzt sind aufgetreten abstrakte
Ideale, die mannigfaltigsten abstrakten Ideale von Menschheits-, von Völkerbeglückung, diese und
jene Sozialismen. Wenn man diese da oder dort auftretenden sozialen Ideen wirklich einführen
wollte in die Welt, würde man erst sehen, wie man es nicht machen kann.
Dasjenige, um was es sich
handelt, ist ja zunächst gar nicht, Gesellschaften oder Sekten zu gründen mit bestimmten
Programmen, sondern Menschenkunde, praktische Menschenkenntnis zu verbreiten, namentlich
auch solche Menschenkenntnis, die uns möglich macht, den werdenden, den aufwachsenden
Menschen richtig zu verstehen, das Kind richtig zu verstehen, wie sich jedes Kind mit einer eigenen
Individualität entwickelt. Dadurch lernen wir uns ins Leben so hineinzustellen, daß wir die richtigen
karmischen Wirkungen, die in uns sind, wenn wir dann durch das Karma einem Menschen
gegenübergestellt werden, mit dem wir ein näheres solches oder solches Verhältnis bekommen
sollen, daß wir die richtigen, die Dauerbeziehungen entwickeln, diejenigen Beziehungen, die
wirklich am fruchtbarsten für das Leben werden können. Praktische Menschenkunde, praktisch
wirkendes Menschheitsinteresse, das ist es, worauf es ankommt. Heute ist die Menschheit auf
diesem Gebiete noch gar nicht besonders weit, noch sehr wenig weit gediehen. Wie urteilen wir
denn heute, wenn wir einem Menschen gegenübertreten? Er ist uns sympathisch oder antipathisch.
Gehen Sie durch die Welt und sehen Sie, wie in den meisten Fällen dies das einzige Urteil ist, oder,
wenn mehrere Urteile auftreten, wie sie doch ganz beherrscht sind von diesem einzigen
Gesichtspunkte: der ist mir sympathisch, der ist mir antipathisch, oder: das an ihm ist mir
sympathisch, das an ihm ist mir antipathisch.
Vorgefaßte Meinungen!
Man stellt sich vor: so und so
sollte der Mensch eigentlich sein; wenn man dann sieht, er ist in dem oder jenem anders, dann fällt
man über ihn ein Urteil. Ehe nicht diese Art des Sympathisch- oder Antipathischfindens aus
Vorurteilen, aus besonderen Liebhabereien heraus, die man über diesen oder jenen
Menschencharakter hat, aufhört, und ehe sich nicht verbreitet die Gesinnung, den Menschen zu
nehmen, wie er ist, kann nicht vorwärtsgeschritten werden in wirklicher praktischer
Menschenkenntnis.
Denken Sie doch, wie heute sehr häufig, wenn zwei Menschen einander gegenübertreten unter
diesen oder jenen Voraussetzungen, in dem einen sogleich etwas auftaucht von Antipathie — er
mag den anderen nicht —, und wie dann alles das, was er diesem Menschen gegenüber tut, in das
Licht dieses Nichtmögens gestellt wird. Dadurch wird sehr häufig ein karmisches Verhältnis ganz
und gar ausgelöscht, ganz und gar auf eine falsche Fährte geführt und muß erst wiederum
zurückgelegt werden bis in die nächste Inkarnation, wo diese Menschen wiederum
zusammentreffen. Sympathien und Antipathien sind die größten Feinde des wirklichen sozialen
Interesses. Das beachtet man sehr häufig nicht. Derjenige, der weiß, was in wirklichem, sozialem
Verständnis liegt für die Weiterentwickelung der Menschheit, der beachtet mit manchmal furchtbar
beklommenem Herzen, wie Lehrer in der Schule wirken, die aus gewissen Vorurteilen heraus den
einen Schüler von vornherein sympathisch oder nicht sympathisch dem anderen gegenüber finden.
Das ist oft furchtbar; während es sich darum handelt, jeden zu nehmen, wie er ist, und aus dem, was
er ist, das Allerbeste zu machen.
Das geht aber dann in die Einrichtungen hinein. Unsere Einrichtungen, unsere sozialen Gesetze, die
die Individualität der Lehrer oftmals furchtbar auslöschen, die sind schon so, daß auf die
Individualität in Wirklichkeit nicht eingegangen werden kann. Da muß wirkliches Verständnis für
Geisteswissenschaft so wirken, daß praktische Seelenkunde und praktische Menschenkunde in das
allgemeine Interesse aufgenommen werden.
Das ist notwendig zum sozialen Verständnis, um in
dem sozialen Verständnis gewissermaßen den anderen Pol zu schaffen für das Schwierigwerden des
Sich-Verstehens.
Das ist dasjenige, was im fünften nachatlantischen Zeitraum ganz besonders auftreten muß, damit
die Menschheit die Bewußtseinsseele voll entwickeln kann. Die Menschen müssen die Dinge alle
durch Prüfungen durchmachen, indem sich ihnen gewissermaßen die Gegenkräfte in den Weg
stellen. So werden die Sympathie- und Antipathiegefühle wirklich sich ausbreiten, und nur im
Bekämpfen, im bewußten Bekämpfen der oberflächlichen Sympathie- und Antipathiegefühle wird
die Bewußtseinsseele richtig geboren werden können.
Ebenso werden entgegentreten sozialem Verständnis zwischen Mensch und Mensch immer mehr
und mehr die nationalen Gefühle und Empfindungen, die im Grunde genommen erst im 19.
Jahrhundert in der Form, wie sie jetzt vorhanden sind, überhandgenommen haben und die in
eminentester Weise entgegenwirken dem sozialen Verständnisse, dem wirklichen Interesse von
Mensch zu Mensch.
Und so wie heute diese nationalen Gegensätze, nationalen Sympathie- und Antipathiegefühle
auftreten, so sind sie eine starke, eine furchtbare Prüfung für die Menschheit, weil ein Heil nur
darinnen liegen kann, daß sie überwunden werden. Würden die Sympathie- und Antipathiegefühle,
die aus dem nationalen Empfinden hervorgehen, weiter überhandnehmen, wie sie sich angelassen
haben, dann würde die Menschheit verträumen die Entwickelung der Bewußtseinsseele.
Denn die
nationalen Gefühle gehen nach der entgegengesetzten Richtung hin; die gehen darauf hin, den
Menschen nicht selbständig werden zu lassen, sondern ihn so zu machen, daß er nur wie ein
Abklatsch, wie ein Abbild erscheint dieser oder jener Gruppenhaftigkeit, Nationalität.
Das ist das erste, was wir ins Auge fassen müssen, wenn wir praktisch den sonst abstrakten Satz vor
unsere Seele hinführen, daß in diesem fünften nachatlantischen Zeitraum die Bewußtseinsseele
besonders zur Entwickelung kommen müsse.
Ein weiteres muß eintreten in diesem fünften nachatlantischen Zeitraum, wenn die
Bewußtseinsseele sich wirklich entfalten soll.
Das ist, daß in den Menschen, insofern sie
individueller und immer individueller werden, ein gewisses Veröden, ein richtiges Veröden des
religiösen Lebens eintreten muß, wenn dieses religiöse Leben sich nicht anpassen will dem fünften
nachatlantischen Zeitraum, sondern so bleiben will, wie es richtig war für den vierten
nachatlantischen Zeitraum. Für den vierten nachatlantischen Zeitraum mußten, weil die Menschen
noch mehr auf die Gruppenhaftigkeit angelegt waren, Gruppenreligionen entstehen. Es mußte
gleichsam über Menschengruppen ausgegossen werden durch Macht Gemeinsames in Dogmen,
Gemeinsames in religiösen Grundsätzen, in religiösen Gedanken. Weil aber der Drang nach
Individualität durch die Bewußtseinsseele immer stärker und stärker werden wird im fünften
nachatlantischen Zeitraum, wird es so sein, daß dasjenige, was so spricht aus den Gruppenreligionen
heraus, nicht mehr zum Herzen, nicht mehr zur Individualität der einzelnen Seelen dringen wird.
Und die Menschen werden einfach nicht verstehen dasjenige, was aus den Gruppenreligionen
heraus kommt.
Im vierten nachatlantischen Zeitraum konnte man noch die Menschen gruppenhaft
über den Christus unterrichten,
im fünften nachatlantischen Zeitraum zieht in Wirklichkeit der
Christus in die einzelnen Seelen schon hinein.
Wir tragen im Unbewußten oder Unterbewußten alle
den Christus schon in uns. Aber er muß erst in uns selber wiederum zum Verständnis gebracht
werden. Das geschieht nicht dadurch, daß den Menschen festgestellte, starre, erstarrte Dogmen auf
gedrängt werden, sondern das geschieht dadurch, daß versucht wird, alles dasjenige, was beitragen
kann, den Christus allseitig den Menschen verständlich zu machen, oder überhaupt das religiöse
Erkennen allseitig, vielseitig zu fördern, daß alles, was dies fördern kann, auch wirklich versucht
wird. Daher muß in diesem fünften nachatlantischen Zeitraum immer mehr und mehr Toleranz
gerade in bezug auf die Gedanken des religiösen Lebens eintreten. Und während im vierten
nachatlantischen Zeitraum die Sache noch so war, daß derjenige, der für die Religion gewirkt hat, so
gewirkt hat, daß er seinen Mitmenschen eine gewisse Anzahl Dogmen, fester Sätze vermittelt hat,
muß das im fünften nachatlantischen Zeitraum ganz, ganz anders werden. Da handelt es sich um
etwas ganz anderes.
Da handelt es sich darum, daß eben, weil die Menschen immer individueller
und individueller werden, versucht wird, vom Dogma ganz freizukommen und dogmenfrei
dasjenige, was man mehr aus persönlichem innerem Erleben dem anderen Menschen erzählen,
beschreiben kann, wirklich so vor ihn hinzubringen, daß sein eigenes, freies religiöses
Gedankenleben individuell in ihm entwickelt werden kann. Die Dogmenreligionen, die einzelnen
festen Dogmen, Konfessionen, die werden im fünften nachatlantischen Zeitraum das religiöse
Leben in Wahrheit ertöten. Daher beginnt man richtig für den fünften nachatlantischen Zeitraum,
wenn man den Menschen immer mehr und mehr begreiflich macht: In den ersten Jahrhunderten des
Christentums war dieses ganz besonders für die Menschen geeignet, wirkte das, in den folgenden
Jahrhunderten ein anderes. Aber es gibt andere Religionen.
Man versucht, das Wesen anderer
Religionen verständlich zu machen; man versucht, verschiedene Seiten der Christus-Auffassung
verständlich zu machen. Dadurch bringt man vor jede Seele dasjenige, was diese Seele vertiefen
kann. Aber man formt die Seele selber nicht, man läßt ihr, namentlich auf religiösem Gebiet, ihre
Gedankenfreiheit, um diese Gedankenfreiheit zur Entfaltung zu bringen.
So wie soziales Verständnis in dem einen Punkte notwendig ist, den ich charakterisiert habe für die
fünfte nachatlantische Periode, so ist zur Entwickelung der Bewußtseinsseele Gedankenfreiheit auf
dem Gebiete der Religion die Grundbedingung: Soziales Verständnis auf dem Gebiete des
menschlichen Zusammenlebens — Gedankenfreiheit auf dem Gebiete der Religion, des religiösen
Lebens.
Dies, daß wir versuchen, das religiöse Leben immer mehr und mehr zu verstehen, es zu
durchdringen, und wir uns daher mit unseren Mitmenschen verstehen können, auch wenn jeder sein
eigenes religiöses Leben entfaltet, das muß immer mehr und mehr ins Auge gefaßt werden, weil das
eine Grundbedingung ist für den fünften nachatlantischen Zeitraum, etwas, was sich die Menschheit
durch eigene Kraft bewußt erwerben muß. Eben im Zeitalter der Bewußtseinsseele stürmen die
ahrimanischen Mächte am allermeisten gerade wiederum gegen diese Gedankenfreiheit an, und wir
sehen, wie die Konfessionen überall den einen Grundnerv der geisteswissenschaftlichen
Weltanschauungsströmung — die Verbreitung der Gedankenfreiheit — feindlich ins Auge fassen,
wie viele Verleumdungen gerade der Geisteswissenschaft Platz greifen aus dem einfachen Grunde,
weil Geisteswissenschaft mit vollem, lichtvollem Verständnisse eingehen will auf die Geburt der
Bewußtseinsseele und nicht verbreiten will solches religiöses Leben, welches noch gebaut ist auf
die Verbreitung, auf die Förderung der Verstandes- oder Gemütsseele, wie es im vierten
nachatlantischen Zeitraum der Fall war. Die Formen des Christentums sind noch begründet worden
im vierten nachatlantischen Zeitraum aus dem Bedürfnisse der griechisch-römischen Kultur heraus.
Sie sind als Kirchenformen ungeeignet jetzt schon und werden immer ungeeigneter und
ungeeigneter werden, Gedankenfreiheit heraufkommen zu lassen, die immer mehr und mehr
heraufkommen muß.
Und in derselben Zeit, in welcher sich regte aus dem modernen Leben heraus, ich möchte sagen, der
erste Keim des Bedürfnisses nach Gedankenfreiheit, ist auch die entgegengesetzte Macht sogleich
ans Werk getreten in dem, was man nennen könnte — obwohl dabei vieles umfaßt ist, was
wiederum im einzelnen, im Detail, charakterisiert werden müßte — den Jesuitismus der
verschiedenen Religionen. Der ist eigentlich ins Leben gerufen worden, um den stärksten
Widerstand zu bieten der Gedankenfreiheit, die ein Lebensbedürfnis des fünften nachatlantischen
Zeitraums ist.
Und immer mehr und mehr wird es notwendig sein, den der Gedankenfreiheit
entgegengesetzten Jesuitismus auf allen Gebieten für den fünften nachatlantischen Zeitraum
auszumerzen; denn vom religiösen Leben ausstrahlend, muß sich die Gedankenfreiheit immer mehr
und mehr auf allen Lebensgebieten entfalten. Aber da sie selbständig erworben werden muß, so ist
die Menschheit gewissermaßen in eine Prüfung hineingestellt, und es erwachsen überall die größten
Schwierigkeiten.
Und diese Schwierigkeiten werden um so größer, als die Menschheit der fünften
nachatlantischen Zeit-Epoche sich eben gerade zur Bewußtseinsklarheit entwickeln soll, aber dies
als ein Unbequemes zunächst empfindet und daher sich in vieler Beziehung betäubt.
So sehen wir, daß ein scharfer Kampf besteht zwischen dem Aufkeimen der Gedankenfreiheit und
der aus alten Zeiten hereinwirkenden, in unsere Zeit hereinwirkenden Autorität. Und die betäubende
Sucht, sich über den Autoritätsglauben Täuschungen hinzugeben, ist vorhanden!
In unserer Zeit ist
der Autoritätsglaube ungeheuer gewachsen, ungeheuer intensiv geworden, und unter seinem Einfluß
entwickelt sich eine gewisse Hilflosigkeit der Menschen in bezug auf das Urteilen.
Im vierten nachatlantischen Zeitraum war dem Menschen als natürliche Gabe ein gesunder Verstand
mitgegeben; jetzt muß er sich ihn erwerben, ihn entwickeln. Autoritätsglaube hält ihn zurück. Aber
wir werden ganz eingespannt in Autoritätsglauben. Denken Sie doch, wie da die Menschen sich
hilflos ausnehmen gegenüber den vernunftlosen Tiergeschöpfen! Wieviel hat das Tier in sich von
Instinkten, die es in für es heilsamer Weise leiten, selbst aus der Krankheit heraus wiederum zur
Gesundheit in heilsamer Weise leiten, und wie sehr arbeitet die heutige Menschheit entgegen dem
Urteil auf solchen Gebieten. Da unterwirft sich die moderne Menschheit ganz und gar der Autorität.
Ein Urteil über die heilsamen Lebensbedingungen will die moderne Menschheit nicht leicht
erwerben. Gewiß, es bestehen löbliche Bestrebungen in allerlei Vereinen und dergleichen. Aber
diese Bestrebungen müssen alle viel, viel intensiver werden, und vor allen Dingen muß verstanden
werden, wie wir immer mehr und mehr dem Autoritätsglauben entgegengehen und wie ganze
Theorien sich bilden, die wiederum die Unterlage von Gesinnungen sind, um den Autoritätsglauben
geradezu zu befestigen.
Auf dem Gebiete der Medizin, auf dem Gebiete der Jurisprudenz, aber auch
auf allen sonstigen Gebieten erklären sich die Menschen von vornherein für unzuständig, ein
Verständnis zu erwerben, und nehmen dasjenige nun, was die Wissenschaft sagt, hin. Bei der
Kompliziertheit des modernen Lebens ist das ja auch schließlich begreiflich. Aber die Menschen
werden unter dem Einflusse einer solchen Autoritätskraft immer hilf loser und hilf loser, und
systematisch diese Autoritätskraft, diese Autoritätsgesinnung auszubilden, das ist eigentlich das
Prinzip des Jesuitismus. Und der Jesuitismus in der katholischen Religion ist nur eine
Spezialisierung von Leistungen, die auf anderen Gebieten ebenso auftreten, wo man es nur nicht so
merkt. Jesuitismus hat zunächst begonnen mit dem Jesuitismus auf kirchlich-dogmatischem
Gebiete, mit der Tendenz, die Macht des Papsttums, die aus der vierten nachatlantischen Periode
herüberragte in die fünfte nachatlantische Periode, für diese fünfte nachatlantische Periode, für die
sie nicht mehr taugt, aufrechtzuerhalten. Aber dasselbe jesuitische Prinzip wird sich nach und nach
übertragen auf andere Gebiete des Lebens. Heute sehen wir bereits im Arzttum einen Jesuitismus
heraufragen, der kaum anders ist als der Jesuitismus auf dem Gebiete der dogmatischen Religion.
Wir sehen, wie gestrebt wird aus einer gewissen medizinischen Dogmatik heraus nach einer
Erhöhung der Macht des Ärztestandes. Und das ist das Wesentliche des jesuitischen Strebens auch
auf verschiedenen anderen Gebieten. Dies wird immer stärker und stärker werden. Die Menschen
werden immer mehr und mehr eingeschnürt werden in das, was die Autorität über sie verhängt. Und
das Heil des fünften nachatlantischen Zeitraums wird darin bestehen, gegen diese ahrimanischen
Widerstände — denn solche sind es — geltend zu machen das Recht der Bewußtseinsseele, die sich
entwickeln will. Das kann aber nur dadurch geschehen, daß die Menschen, da sie jetzt natürlichen
Verstand nicht wie ihre beiden Arme mitbekommen, wie es vergleichsweise noch der Fall war in
der vierten nachatlantischen Periode, wirklich auch Verstand, gesunde Urteilskraft entwickeln
wollen. Die Entwickelung der Bewußtseinsseele fordert Gedankenfreiheit, aber diese
Gedankenfreiheit kann nur in einer ganz bestimmten Aura, in einer ganz bestimmten Atmosphäre
gedeihen.
Ich habe Sie hingewiesen auf die Schwierigkeiten, welche bestehen im fünften nachatlantischen
Zeitraum. Denn der fünfte nachatlantische Zeitraum drängt nach einer ganz bestimmten
Entwickelungsrichtung: nach der Entwickelung der Bewußtseinsseele. Aber diese
Bewußtseinsseele, eben weil sie sich gerade als Bewußtseinsseele entwickeln soll, muß
Widerstände haben, muß durch Prüfungen hindurchgehen.
So sehen wir, daß sowohl dem sozialen
Verständnisse wie der Gedankenfreiheit die heftigsten Widerstände erwachsen. Und man versteht
heute nicht einmal, daß diese Widerstände da sind; denn in den weitesten Kreisen werden diese
Widerstände gerade als das Richtige betrachtet, dem nicht entgegengewirkt werden soll, sondern das
gerade ganz besonders ausgebildet werden soll.
Es gibt aber schon viele, viele Menschen, die ein offenes Herz und ein gutes Verständnis haben für
dasjenige, in was der moderne Mensch hineingestellt ist, die einen offenen Sinn und ein gutes
Verständnis haben für das, was heute schon zu sehen ist: wie dadurch, daß die karmischen
Verhältnisse der Menschen in die eben charakterisierte Krisis eingetreten sind, es anfängt, daß die
Kinder die Eltern, die Eltern die Kinder nicht mehr verstehen, daß die Geschwister einander nicht
mehr verstehen, die Völker einander nicht mehr verstehen, es gibt heute schon genug Menschen, die
diesen zwar notwendigen, aber eben nur richtig wirkenden, wenn mit Verständnis durchdrungenen
Verhältnissen blutenden Herzens gegenüberstehen. Denn aus dem Herzblut heraus müssen bewußt
die Impulse für dies neue Weltenwirken gewonnen werden. Was von selbst entstehen wird, wird
Entfremdung der einzelnen untereinander sein. Was aus dem menschlichen Herzen wird
herausquellen, das wird bewußt anzustreben sein. Schwierigkeiten geht jede einzelne Seele im
fünften nachatlantischen Zeitraum entgegen. Denn nur in der Überwindung dieser Schwierigkeiten
werden sich die Prüfungen ergeben, unter denen die Bewußtseinsseele entwickelt werden kann.
Da kommt heute mancher, der sagt: Ach, ich fühle nicht, was ich aus mir machen soll, ich weiß
nicht, wie ich mich hineinstellen soll in die Lebenszusammenhänge. — Das rührt davon her, daß er
noch nicht die richtige Möglichkeit gefunden hat, klar über die Bedürfnisse der heutigen Zeit und
des Darinnenstehens eines Menschen nachzudenken.
Bis zur physischen Krankheit, bis zur
physischen Haltlosigkeit entwickeln sich heute schon bei vielen Menschen die Verhältnisse.
Richtiges Verständnis dafür, das ist dasjenige, was immer mehr und mehr und immer intensiver und
intensiver gefordert werden muß. Dasjenige, was sich ausgießen wird über die Menschheit, weil es
notwendig ist im fünften nachatlantischen Zeitraum, das wird sein die Gefahr der Seelennot,
Seelennot in der besonderen Nuance, wie es geschildert worden ist durch dasjenige, was eben heute
vorgetragen worden ist. Viele Menschen sehen das, was ich geschildert habe, und fühlen, daß es
notwendig ist, richtig notwendig ist, daß die Menschen kommen auf der einen Seite zum sozialen
Verständnisse und auf der anderen Seite zur Gedankenfreiheit. Aber wenige, sehr wenige sind heute
noch geneigt, zu den rechten Mitteln zu greifen. Denn demjenigen, was für das soziale Verständnis
notwendig ist, wird oftmals mit allerlei idealistisch klingenden Redensarten zu dienen gesucht.
Was
wird heute alles geschrieben über die Notwendigkeit einer individuellen Behandlung des
aufwachsenden Menschen! Was werden für ausführliche Theorien ersonnen auf allen möglichen
pädagogischen Gebieten! Das ist es weniger, um was es sich handelt. Möglichst viele positive
Schilderungen, wie die Menschen sich wirklich entwickeln, positive, ich möchte sagen,
Naturgeschichte individueller Menschenentwickelung, das ist es, was verständnisvoll verbreitet
werden soll; wo wir nur können, erzählen, wie sich der Mensch A, der Mensch B, der Mensch C
entwickelt hat, und liebevoll eingehen können auf die Entwickelung eines Menschen, die sich vor
uns abspielt. Das ist vor allen Dingen vonnöten: Lebensstudium, der Wille zur Lebenskunde, nicht
zum Programm; denn das theoretische Programm ist der Feind der fünften nachatlantischen
Kulturperiode.
Wenn Gesellschaften auftreten, so sollten sie eigentlich nach dem Sinn der fünften nachatlantischen
Kulturperiode so auftreten, daß die Menschen, die in diesen Gesellschaften zusammenkommen, die
Hauptsache sind, und daß sich aus dem gegenseitigen Verkehre dieser positiven Menschen das
ergebe, was sich ergeben kann. Da werden sich recht individuelle Dinge ergeben, wenn darauf
geachtet wird. Was tut man heute gewöhnlich? Man beginnt damit, daß man Statuten aufstellt.
Gewiß, das mag sehr schön sein, ist ja vielleicht notwendig, weil eben die äußeren Verhältnisse
Statuten verlangen. Aber man soll sich gerade klar sein auf unserem Gebiete, daß alles Reden über
Programme und Statuten nur eine Konzession an die Welt ist, daß dasjenige, um was es sich
handelt, das individuelle Zusammenleben sein muß, was sich aus dem positiven Menschen heraus
ergibt, daß gegenseitiges Verständnis dasjenige ist, auf was es ankommt.
Dann werden sich schon
für den fünften nachatlantischen Zeitraum, denn wir haben ja Jahrhunderte vor uns, die
Möglichkeiten ergeben, daß auch hinausdringt aus dem Kreise derer, die dafür Verständnis haben,
das Verständnis für individuelles Entwickeln, für lebensvolles Entwickeln in die allgemeine Welt,
die heute alles in Paragraphen hinein wie in spanische Stiefel schnürt, in Paragraphen oder Gesetze
oder in sonst etwas Ähnliches.
Daher sehen wir die heilsam klingenden Lehren überall auftauchen
von den Kanzeln, von den sonstigen Tribünen, in denen das Leben belehrt werden soll. Wir sehen
die Lehren überall auftreten, die von Abstraktionen nur so triefen, in denen den Menschen alle
möglichen Ideen und Ideale vorgeführt werden. Darum kann es sich nicht handeln, sondern allein
darum, ins Konkrete, ins wirkliche Leben verständnisvoll einzudringen. Wie kann das nun
geschehen?
Ganz selbstverständlich wird mit vollem, vollem Recht eingewendet werden dem, was da gesagt
worden ist: Ja, wir können doch nicht alle das beurteilen lernen, was heute aus den autoritativen
Zusammenhängen herauskommt.
Man denke nur — werden die Menschen sagen —, was alles
einer, der Arzt werden will, lernen muß! Es ist gerecht, daß er es lernt; aber wir können doch nicht
das lernen und noch dazu lernen das, was jeder, der Jurist werden soll, lernt, und noch dazu lernen
das, was jeder, der Maler werden will, lernen muß und so weiter. Das können wir doch nicht! —
Gewiß, das können wir nicht, das ist ohne Frage; aber wir brauchen auch nicht schöpferisch zu sein,
wir brauchen nur urteilsfähig zu sein. Wir müssen in die Lage kommen, zwar die Autorität schaffen
zu lassen, aber die Autorität beurteilen zu können. Das lernen wir nicht, das eignen wir uns nicht an
dadurch, daß wir auf alle einzelnen Spezialitäten wirklich eingehen, sondern dadurch, daß wir uns
aus etwas, was umfassend unseren Verstand, unsere Urteilskraft bilden kann, heraus die
Möglichkeit eines Urteils aneignen. Das kann aber nie geschehen aus dem materiellen Erkennen der
einzelnen Spezialitäten heraus, sondern aus dem umfassenden Geist-Erkennen.
Geisteswissenschaft muß das zentrale Erkennen sein. Denn diese Geisteswissenschaft wird nicht nur
aufklären über die Zusammenhänge in der Entwickelung des Menschen, sondern durch die Art von
Gedanken, die sie hat, wird sie uns gesunden Verstand entwickeln, der heute aus größeren Tiefen
hervorgeholt werden muß, als er in der griechisch-römischen Kulturepoche, der vierten
nachatlantischen Kulturperiode, herausgeholt, hervorgeholt werden mußte.
Die von dem anderen
Wissenschaftlichen verschiedene Art des Begriffebildens, des Vorstellungbildens, die notwendig ist
für die Geisteswissenschaft, die befähigt uns nicht, eine Autorität auf diesem oder jenem Gebiete zu
werden, aber urteilsfähig zu werden. Und warum das so ist, man wird es immer mehr und mehr
einsehen, denn es bestehen geheimnisvolle Kräfte in der menschlichen Seele, und diese
geheimnisvollen Kräfte, diese Mysterienkräfte, die werden zusammenbinden die Menschenseele mit
der geistigen Welt und werden durch dieses Band, das sich bildet zwischen der Menschenseele und
der geistigen Welt dadurch, daß wir eingehen auf die Geisteswissenschaft, uns im einzelnen Falle,
wenn wir der Autorität gegenüberstehen, urteilsfähig erscheinen lassen. Wir werden nicht dasjenige
wissen, was die Autorität wissen kann; aber wenn die Autorität etwas weiß und im einzelnen Falle
dies oder jenes tut, werden wir fähig sein, es zu beurteilen.
Dies müssen wir besonders betonen als etwas, was durch die Geisteswissenschaft gebracht werden
muß, daß sie nicht nur die Menschen belehrt, sondern die Menschen in dieser Beziehung
urteilsfähig macht, das heißt, ihnen erst die Möglichkeit der Gedankenfreiheit gibt, die
Gedankenunabhängigkeit erst in ihnen fördert.
Geisteswissenschaft macht uns nicht zu Medizinern,
aber Geisteswissenschaft befähigt uns, dasjenige, was durch den Mediziner in das öffentliche Leben
eintritt, zu beurteilen, wenn wir nur richtig in die Geisteswissenschaft hineindringen.
Wird das
einmal verstanden werden, was ich jetzt mit diesen Worten meine, dann wird man viel, viel von den
heilsamen Kräften des fünften nachatlantischen Zeitraums verstehen. Denn es ist sehr, sehr viel
gesagt mit dem, was ich damit eigentlich meine, daß Geisteswissenschaft gleichsam ummodeln wird
das menschliche Verständnis, so daß der Mensch urteilsfähig wird, Verstandeskraft entbindet aus
seinem Seelenleben. Erst dadurch kann er sich die Gedankenfreiheit in Wirklichkeit erwerben.
Wenn ich jetzt etwas bildlich sprechen darf, so möchte ich Ihnen diesen Gedanken noch in
bildlicher, in imaginativer Form ausführen. Wir hören in der Geisteswissenschaft von wirklicher
geistiger Welt, von konkreter geistiger Welt, von elementarischen Wesenheiten, die uns umgeben;
wir hören von den Hierarchien, Angeloi, Archangeloi und so weiter.
Die Welt bevölkert sich für uns
mit konkreten geistigen Inhalten oder mit geistigen Kräften und geistigen Wesenheiten. Diesen
Wesenheiten, die da in den geistigen Welten leben, ist es nicht gleichgültig, daß wir von ihnen
wissen! Es war ihnen noch mehr oder weniger gleichgültig in der vierten nachatlantischen Periode,
aber in der fünften nachatlantischen Periode ist es ihnen schon nicht mehr gleichgültig, sondern es
ist, wie wenn ihnen etwas entzogen würde an geistiger Nahrung, wenn die Menschen hier auf der
Erde von ihnen nichts wissen.
Die geistige Welt steht durchaus in Verbindung mit der hiesigen
physischen Erdenwelt. Das werden Sie am besten verstehen, wenn ich Ihnen eines sage, was Ihnen
vielleicht selber jetzt noch paradox erscheinen wird, was aber einfach wahr ist. Und es müssen doch
heute, obwohl man heute noch nicht vieles sagen kann, es müssen doch manche Wahrheiten schon
heute ausgesprochen werden, weil die Menschen nicht ohne diese Wahrheiten leben sollen.
Sehen Sie, für die Menschen, die hier auf der Erde leben, ist es ein richtiger Gesichtspunkt, zu
sagen: Mit dem Mysterium von Golgatha ist der Christus in das Erdenleben eingetreten und seither
ist er im Erdenleben. Und man kann von einem gewissen Empfindungsstandpunkte aus es als ein
Glück des Erdenlebens ansehen, daß der Christus eingetreten ist.
Aber nun stelle man sich auf den
Standpunkt der Angeloi — und dieser Standpunkt ist keine Erfindung meinerseits, dieser
Standpunkt ist dasjenige, was dem wirklichen okkulten Forscher sich als etwas Reales ergibt —,
man versetze sich auf den Standpunkt der Angeloi. Die haben etwas anderes erlebt in ihrer geistigen
Sphäre: die haben das Umgekehrte erlebt! Der Christus ist aus ihrer Sphäre zu den Menschen
gegangen, er hat ihre Sphäre verlassen. Die müssen für sich sagen: Aus unserer Welt ist der Christus
durch das Mysterium von Golgatha weggegangen. — Darüber haben sie Grund, ebenso traurig zu
sein, wie die Menschen es als heilsam empfinden können, daß der Christus zu ihnen gekommen ist,
insofern die Menschen im physischen Leibe leben. Und das ist auch ein realer Gedankengang, und
derjenige, der wirklich die geistige Welt kennt, der weiß, wie es nur eine Erlösung für die Angeloi
gibt, für die das richtig ist, was ich zum Ausdruck gebracht habe, und das ist das, daß die Menschen
unten auf der Erde in ihren physischen Leibern mit dem Christus-Gedanken leben und der ChristusGedanke
zu den Angeloi wie ein Licht hinauf strahlt, seit dem Mysterium von Golgatha wie ein
Licht hinauf strahlt zu den Angeloi. Die Menschen sagen: Der Christus ist in uns eingezogen, und
wir können uns entwickeln so, daß der Christus in uns leben wird — «Nicht ich, sondern der
Christus in mir.» Die Angeloi aber sagen: Aus unserem Inneren ist der Christus für unsere Sphäre
weggegangen, und er glänzt uns herauf wie so und so viele Sterne in dem Christ-Gedanken der
einzelnen Menschen; da erkennen wir ihn wieder, da ist er aufgestrahlt seit dem Mysterium von
Golgatha. — Es ist eine reale Beziehung zwischen der geistigen Welt und der menschlichen Welt.
Und diese reale Beziehung kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß die geistigen Wesen, die die
geistige Welt außer uns bewohnen, daß diese geistigen Wesen mit Wohlgefallen, mit Befriedigung,
mit Genugtuung hinblicken können auf die Gedanken, die wir uns über ihre Welt machen können.
Nur dann können sie uns helfen, wenn wir uns Gedanken über sie machen können, wenn wir auch
noch nicht dahingelangt sind, hellseherisch in die geistige Welt hineinzublicken, sie können uns
helfen, wenn wir von ihnen wissen. Dafür, daß wir Geisteswissenschaft studieren, kommt uns aus
der geistigen Welt Hilfe. Es sind nicht bloß die Dinge, die wir lernen, die Erkenntnisse, sondern es
sind die Wesen der höheren Hierarchien selber, die uns helfen, wenn wir von ihnen wissen. Stehen
wir also den Autoritäten fernerhin gegenüber in der fünften nachatlantischen Periode, dann ist es für
uns heilsam, wenn wir hinter uns haben nicht bloß unseren eigenen menschlichen Verstand, sondern
das, was die geistigen Wesen in unserem Verstande zu wirken vermögen, wenn wir von ihnen
wissen. Die befähigen uns zum Urteilen gegenüber der Autorität.
Die geistige Welt hilft uns. Wir
brauchen sie, wir müssen von ihr wissen, wir müssen sie wissentlich aufnehmen. Das ist das dritte,
das kommen muß für den fünften nachatlantischen Zeitraum.
Das erste ist soziales Menschenverständnis, das zweite ist Erwerbung der Gedankenfreiheit, das
dritte ist lebendiges Wissen von der geistigen Welt durch die Geisteswissenschaft. Diese drei Dinge
müssen die großen, realen Ideale für den fünften nachatlantischen Zeitraum sein. Auf dem Gebiete
des sozialen Lebens muß kommen soziales Verständnis; auf dem Gebiete des religiösen und
sonstigen Zusammenlebens der Seelen Gedankenfreiheit; und auf dem Gebiete der Erkenntnis muß
kommen Geist-Erkenntnis. Soziales Verständnis, Gedankenfreiheit, Geist-Erkenntnis — das sind
die drei großen Ziele, Impulse des fünften nachatlantischen Zeitraums. Unter diesen Lichtern
müssen wir uns entwickeln, denn das sind die richtigen Lichter für unseren Zeitpunkt.
Intensiv fühlen manche Menschen, daß so etwas notwendig ist, namentlich daß eine andere Art des
gegenwärtigen Zusammenlebens der Menschen heraufziehen muß, daß andere Begriffe kommen
müssen. Aber die letzten Konsequenzen, die entziehen sich entweder dem guten Willen oder der
Erkenntnis der Menschen. Das können wir gerade an dem Verhältnis, in dem sich manche
Menschen gegenüber dem Streben der Geisteswissenschaft oder Anthroposophie befinden, sehen.
Wir brauchen dabei gar nicht zu denken an dasjenige, was böswillig Geisteswissenschaft,
Theosophie oder Anthroposophie verleumdet oder was ihr aus irgendwelchem Grunde sonst
böswillig, gegnerisch böswillig gegenübersteht, sondern wir können denken an ehrliches Wollen,
was ja genugsam vorhanden ist innerhalb der gegenwärtigen Menschheit, an ehrliches Wollen, das
dahin zielt, solche Impulse in der Menschheit zu schaffen, welche in der Richtung der richtigen
Impulse des fünften nachatlantischen Zeitraums liegen. Denken Sie sich nur: wie viele
«Reform»-Menschen treten auf den verschiedensten Gebieten auf, wie viele soziale Pastoren,
soziale sonstige Prediger, wiederum soziale Prediger aus den nichttheologischen oder
nichtreligiösen Kreisen heraus.
Wie tritt das alles auf; wie ist das oftmals von dem aller-allerbesten
Willen beseelt! Es will das die Menschen zu irgend etwas führen, wozu das Leben drängt in unserer
Zeit! Guter Wille ist vielfach vorhanden, und wir wollen in diesem Augenblicke auf dasjenige
sehen, was unter dem guten Willen steht, nicht was unter dem bösen Willen steht. Aber solange
dieser gute Wille nur in allgemeinen Redensarten bleibt, wenn sie auch von noch so heißen
Gefühlen getragen werden, es hilft nichts, wenn nicht die Erkenntnis, die nur aus der
Geisteswissenschaft kommen kann, lebendig wird, daß die drei großen realen Ideale erfüllt werden
können: Soziales Verständnis — soziales Menschenkennen —, Gedankenfreiheit, Geist-Erkenntnis.
Aber dazu ist das Verständnis der Menschen in der Gegenwart noch nicht einmal im Anfange
angelangt, außer bei dem kleinen Häuflein, das sich zusammengeschart hat innerhalb der
geisteswissenschaftlichen Weltanschauung.
Wir können heute hinblicken auf manche schöne, edle Erkenntnis in dieser Richtung. Ich möchte
Ihnen davon eine Probe geben, die sich mir, wie man so sagt «zufällig», in Wirklichkeit durch das
Karma ergeben hat, daß ich in einem Schaufenster einfach ein Büchelchen gefunden habe, das ich
aus irgendeinem Eindruck heraus, den der Titel machte, mir gekauft habe. Da wird gesprochen von
dem modernen Menschen, was dieser Mensch sucht, unter welchem Eindrucke dieser moderne
Mensch aufwächst; da wird gesagt, wie vieles da ist in der modernen Welt, in der modernen
Außenwelt, was diesen modernen Menschen fördert, was ihm das Leben bequem macht, das Leben
leicht macht, wie das Leben unter dem Einfluß gewisser Bequemlichkeiten, die die neuere
Dampfkraft, die neuere Elektrizität gebracht hat, eine Lust ist; das alles wird angeführt.
Dann aber
wird doch eines tief betont. ..
Es wird betont, wie der moderne Mensch zwar da hineingekommen ist
in ein rasenderes, bewegteres Leben, als das in früheren Zeiten der Fall war, wie aber sein Leben
reicher geworden ist. Das alles wird betont mit einer gewissen Freude, mit einer gewissen Innigkeit;
an hervorragenderen geistigen Erscheinungen der neueren Zeit wird geschildert, wie es der moderne
Mensch besser hat im Gegensatze zu dem mehr dumpfen, traurigen, instinktgemäßen Leben früherer
Zeiten. Dann aber wird weiter richtig geschildert dasjenige, was ich vorhin angedeutet habe als die
Schwierigkeiten des fünften nachatlantischen Zeitraums. Nur wird nicht erkannt, daß das gerade aus
dieser Eigentümlichkeit des fünften nachatlantischen Zeitraums und seiner Anforderung — der
Bildung der Bewußtseinsseele — herausquillt. Klar und deutlich hell wird nicht gesehen. Das ist es,
worauf es ankommt. Aber empfunden wird mit offenem Herzen.
Da wird gesagt: «Merkwürdig: von
der Lebensfreude, von der Daseinslust durften wir bei der Beschreibung des inneren Bildungsganges
unserer Zeit ausgehen. Und von tiefgehender, innerer Seelennot müssen wir am Schluß dieses
Abschnittes sprechen. Was wir hier im kleinen erleben, macht unsere Zeit im großen durch.» — Er
meint mit «im kleinen» den Ort, an dem er gerade lebt. — «Eine Kulturfülle ohnegleichen, eine
Lebensentfaltung in Kraft und Schönheit, wie kaum eine zweite in der Geschichte; und dabei eine
Seelennot, die heraufzieht und ganze Volksschichten ergreift.»
Und nun, nachdem er so richtig erkannt hat, der Mann, geht er verschiedenes durch, was dahin
führen soll, nun nicht bloß bei einem hilflosen Schildern der Seelennot stehenzubleiben, sondern
das Richtige zu finden, damit die Impulse der neueren Menschheit in der richtigen Weise gelenkt
werden können.
Unter diesen verschiedenen Dingen schildert er nun auch das, was er die
Theosophie nennt, wie er die Theosophie kennengelernt hat. Wir treffen da unter den vielen
gegnerischen Menschen einen solchen, der dieser Theosophie wohlwollend gegenübersteht, mit
allerbestem Willen, mit dem Willen, sie wirklich kennenzulernen, der sich auch bekanntgemacht hat
damit und der deshalb für uns in Betracht kommt. Wirklich nicht aus der Albernheit heraus, dieses
gerade vorzubringen, bringe ich es vor, sondern weil es wirklich ganz wichtig und wesentlich ist,
daß wir uns um solche positiven Zusammenhänge unserer Geisteswissenschaft mit dem äußeren
Leben auch bekümmern.
Nachdem der Mann besprochen hat, was die Mystik, die nicht bis zur «Mystik» kommt, auch an
Vertiefung des Lebens leisten will, an Abhilfe der Seelennot, sagt er: «Neben der Mystik steht die
Theosophie. Es gibt manche, welche in ihr nur eine Erscheinung sehen, welche darauf aus ist,
Surrogate zu setzen an die Stelle bewährter Kräfte, oder welche in ihr nur einen Hang zum
Synkretismus und Eklektizismus finden» — also zur Zusammenfassung von allerlei
Religionsbekenntnissen und Weltanschauungen.
Diejenigen, die nicht näher auf die
Geisteswissenschaft eingehen, reden ja davon, daß in ihr Gnostizismus aufgewärmt werden soll und
so weiter; aber dieser Mann, der geht einen Schritt weiter. Er sagt also: Solche, «welche in ihr nur
einen Hang zum Synkretismus und Eklektizismus finden, individueller Neigung entsprechend, und
sie zusammenwerfen mit weniger hellen Begleiterscheinungen des Gegenwartslebens, mit
Aberglauben, Spiritismus, Geistersehen, Symbolismus und ähnlichen durch das Geheimnisvolle die
Menschen reizenden Äußerungen geistiger Spielerei. Dem ist aber nicht so. Es heißt dieser
Bewegung unrecht tun, wenn man nicht die in ihr zum Ausdruck kommenden, tief innerlichen
Beziehungen und Werte anerkennen will.» Wir stehen also einem wohlwollenden Menschen
gegenüber. Er sagt: «Wir müssen sie, wenigstens in dem um Steiner gesammelten Kreis, vielmehr
zu verstehen suchen als eine religiöse Bewegung unter unseren Zeitgenossen, wenn auch nicht
ursprünglicher, sondern nur synkretistischer Art, aber doch auf den Grund alles Lebens gerichtet.»
— Ich hoffe, er wird auch noch auf die Ursprünglichkeit kommen, der Mann, nachdem er so viel
guten Willen hat.
«Wir dürfen sie beurteilen als eine Bewegung zur Befriedigung der übersinnlichen Interessen der
Menschen und damit als ein Hinauswachsen über den am Sinnlichen haftenden Realismus; wir
dürfen in ihr vor allem eine Bewegung erkennen, welche die Menschen zur Selbstbesinnung auf die
sittlichen Probleme, die ihnen gestellt sind, hinweist, und welche auf eine Arbeit zur inneren
Wiedergeburt hinzielt aus einem peinlichen Achten auf die Selbsterziehung heraus» — wie gesagt,
ich lese es nicht aus irgendeiner albernen Empfindung heraus vor; sondern bei dem, was sonst über
Anthroposophie gesprochen wird, ist es schon nicht gerade unerheblich, daß wir auch solche Urteile
kennenlernen — «man braucht nur das Steinersche Buch zur Einführung in die Theosophie zu lesen,
um zu merken, mit welchem Ernste hier der Mensch auf die Arbeit an seiner sittlichen Läuterung
und Selbstvervollkommnung gewiesen wird. Sie ist weiter in ihrer auf das Übersinnliche gerichteten
Spekulation eine Reaktion gegen den Materialismus; allerdings» — und nun kommt etwas, worauf
ich Sie bitte, besonders zu achten —
«verliert sie dabei leicht den Boden der Wirklichkeit und
versteigt sich in Hypothesen, in hellsehende Phantasien, in ein Reich der Träume, so daß sie für die
Wirklichkeit der individuellen und sozialen Lebensgestaltung keine genügende Kraft mehr übrig
behält. Aber immerhin, wir wollen und müssen die Theosophie als eine Korrekturerscheinung im
Bildungsgang der Gegenwart registrieren.
Das einzige eigentlich also, was dem Mann nicht gefällt, ist das Aufsteigen zur Geistes-Erkenntnis,
zur konkreten, realen Geist-Erkenntnis; das heißt, er möchte das haben, was aus der Theosophie —
auch nach seiner Ansicht — quellen kann an Impulsen für moralische Vervollkommnung des
Menschen; aber er erkennt noch nicht, daß dies hier im fünften nachatlantischen Zeitraum nur
kommen kann aus der wirklichen, konkreten Geist-Erkenntnis. Er erkennt nicht die Wurzeln.
Er
möchte die Früchte haben ohne die Wurzeln. Er erkennt nicht den ganzen Zusammenhang. Gerade
dieser Mann ist außerordentlich interessant, weil er auch, wie man sieht, mit Hingabe mein Buch
«Theosophie» studiert hat, gar nicht einsieht, daß das eine nicht ohne das andere vorhanden ist. Er
möchte gern den Kopf abschlagen diesem Buch und doch den Körper noch behalten; denn er
betrachtet diesen Körper noch als etwas Wertvolles.
Das ist es, was Bezug hat auf das, was ich Ihnen vorhin darstellte. Daß notwendig ist soziales
Verständnis, Gedankenfreiheit, das verstehen solche Menschen schon; daß aber das dritte, GeistErkenntnis,
die Grundlage bilden muß für unseren fünften nachatlantischen Zeitraum, das wollen sie
noch nicht anerkennen; das ist dasjenige, zu dem sie noch nicht kommen können. Das ist eine der
wichtigsten Aufgaben der geisteswissenschaftlichen Weltanschauungsströmung, auch dafür
Verständnis zu erwecken. Phantastisch nennen noch vielfach die Menschen das Hinaufsteigen in die
geistigen Welten; sie sehen eben nicht ein, daß der Verlust der Erkenntnis der geistigen Welten
gerade den Materialismus und die damit verbundene soziale Verständnislosigkeit und das
materialistische Leben und die materialistische Lebensgesinnung der neueren Zeit hervorgebracht
hat. Gerade bei den Wohlwollenden müssen wir studieren, wie es heute noch den Menschen schwer
wird, die Notwendigkeit konkreter geistiger Welten anzuerkennen. Daher müssen wir um so mehr
versuchen, Verständnis zu gewinnen für solche Impulse, wie diejenigen sind, von denen ich im
heutigen Vortrage habe sprechen wollen.
Das Büchelchen, von dem ich gesprochen habe, heißt «Die Gedankenwelt der Gebildeten, Probleme
und Aufgaben».
Wie gesagt, es ist mir «zufällig» in die Hände gefallen, denn es ist schon 1914 in
Hamburg erschienen, in der Agentur des Rauhen Hauses, und gibt wieder einen Vortrag auf dem 37.
Kongreß für Innere Mission in Hamburg am 23. September 1913 von Professor Dr. Friedrich
Mahling. Ich wundere mich nur darüber — wie gesagt, mir ist es ganz zufällig vor einigen Tagen in
dem Schaufenster einer Buchhandlung in die Hand gefallen —, daß niemand irgend etwas gerade
über dieses Buch aus unserem Kreise erwähnt hat; denn dem einen oder dem anderen hätte es,
nachdem es 1914 schon erschienen ist, doch in die Hände fallen können. Und es wäre eigentlich
notwendig, uns gerade um die verschiedenen Fäden, die hinüber- und herüberlaufen zwischen den
verschiedensten Gebieten, heute zu kümmern. Es wäre notwendig, sich zu kümmern um die eine
Nuance, die man ja viel häufiger finden wird, die des wüsten Schimpfens und Verlachens unserer
Bewegung, aber auch darum können wir uns kümmern, wenn einmal ehrlichstes Verständnis
gesucht wird wie in diesem Fall, wo wir geradezu daraus lernen können, welche Schwierigkeiten
der Mensch, der ehrlichstes Verständnis sucht, auch heute noch hat.
Den heutigen Vortrag wollte ich gerade daraufhin einrichten, zu zeigen, welches die drei großen
Ideale sein sollen, die konkreten Ideale für den fünften nachatlantischen Zeitraum: soziales
konkretes Menschenverständnis, Gedankenfreiheit, Geist-Erkenntnis.
Die drei konkreten Ideale
müssen den Wissenschaften die Richtungen geben in der Zukunft. Sie müssen das Leben läutern
und reinigen, müssen der Moral die Impulse geben, müssen in weitestem Umfange orientierend und
richtunggebend, lebendurchdringend, lebenfördernd innerhalb der modernen Menschheit werden.
Nicht aber werden die beiden ersten Forderungen erfüllt werden können — soziales Verständnis
und Gedankenfreiheit —, wenn nicht die Geist-Erkenntnis dazukommt als das dritte, denn
Bewußtseinsseele soll entwickelt werden. Diese Bewußtseinsseele hat als ihre höchste Stufe eben
schon das Geistselbst, das in der sechsten nachatlantischen Kulturperiode veranlagt werden muß.
Das wird nicht entwickelt werden können, wenn nicht vorbereitet wird jene innere
Verselbständigung des Menschen, die erreicht wird durch die Entfaltung der Bewußtseinsseele. Das
ist es, was wir mitberücksichtigen müssen bei unserem geisteswissenschaftlichen Streben, daß
dasjenige, was wir als abstrakte Wahrheiten erkennen, wirklich die Zauberkraft in sich hat, die man
nur entfesseln muß, um helles Licht hinzuwerfen auf alles Leben. Und wo im Leben auch der
einzelne steht, ob er auf diesem oder jenem Gebiete der Wissenschaft, auf diesem oder jenem
Gebiete der praktischen Arbeit, sei es auch der kleinsten Arbeit steht: der Mensch wird, wenn er für
sein Gebiet lebendig zu machen weiß dasjenige, was wir in unseren Zusammenkünften als abstrakte
Wahrheiten aufnehmen, in dem Sinne, wie es sein soll, mitarbeiten an den großen Aufgaben unserer
Zeit. Und dann wird Frohsinn in die Seele des Menschen einziehen, Frohsinn, der nicht bloß heitere
Oberflächlichkeit ist, der zugleich verknüpft ist mit jenem Ernst, der lebentragend ist, der unsere
Kräfte erhöht, der uns nicht bloß das Leben genießen lassen will, sondern der uns zu tüchtigen
Arbeitern im Leben macht.
In diesem Sinne werden die drei angeführten konkreten sozialen Ideale und Erkenntnisideale auch
dasjenige sein, was der Bewußtseinsseele die Fähigkeit geben wird, in einer neuen Weise im fünften
nachatlantischen Zeitraum das Mysterium von Golgatha zu verstehen, den Christus aufzunehmen;
denn ein reales Band mit den geistigen Welten müssen wir knüpfen, kennenlernen, wie auch diese
zu diesem Zentral-Impuls der Erdenentwickelung stehen, zu dem Christus-Impuls.
Das wird uns der
Christus-Impuls erst werden unter dem Einflusse der Gedanken, die aus der geistigen Welt
hereinkommen ins Erdendasein, weil im Erdendasein seit dem Mysterium von Golgatha Gedanken
in den Menschenseelen aufglänzen können, die als helle Sterne tröstend, wie ich ausgeführt habe,
selbst zu der Welt der Angeloi hinaufleuchten, die den Christus aus ihrer Sphäre verloren haben, um
ihn aus der Sphäre der Menschengedanken sich entgegenleuchten zu sehen.
Nein, Geist-Erkenntnis ist nicht etwas, was als eine Phantastik geschildert werden darf; GeistErkenntnis
ist dasjenige, was bestrebt ist, auf diejenige Wirklichkeit erst den Einfluß zu finden, aus
welcher die Seelennot, die notwendigerweise mit dem fünften nachatlantischen Zeitraum verknüpft
sein muß, behoben werden kann. Das wollte ich heute zu Ihnen sprechen. Hoffentlich sehen wir uns
in nicht sehr ferner Zeit auch wiederum in dieser Stadt. Ich hoffe, daß wir bis dahin in Gedanken gut
zusammenhalten und im Geiste unserer Bewegung auch hier weiterarbeiten.